„Leitung der Kirche. Das Beispiel der Orden“, so lautete das Thema des Gastvortrags, den der Münchener Kirchenrechtsprofessor P. Dr. Stephan Haering OSB auf Einladung von Professor Dr. Johann Hirnsperger am 6. Dezember 2019 an der Katholisch-Theologischen Fakultät hielt. Die Frage von Leitungskonzepten und die Teilhabe der Gläubigen wird öffentlich diskutiert und spielt beispielsweise eine wichtige Rolle beim „Synodalen Weg“, dem Reformdialog, zu dem die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken eingeladen haben. „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“ ist dort ein eigenes Forum.
Ausgehend von den für alle Orden der lateinischen Kirche geltenden Normen des Codex Iuris Canonici zeigte Haering auf, dass Leitung in den Ordensgemeinschaften wesentlich partizipativen Charakter hat. Das Generalkapitel bestimmt als oberstes Leitungsorgan, das entsprechend den Bestimmungen im Eigenrecht repräsentativ zusammengesetzt ist, in gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung die rechtlichen Strukturen und Aufgaben der Gemeinschaft - immer in Treue zum Gründungscharisma. Neben dem Generalkapitel sind auf Provinzebene Provinzkapitel eingerichtet, die häufiger tagen.
Die konkrete Leitung der Kommunitäten liegt in den Händen der Ordensoberen. Sie werden ernannt oder gewählt, die Amtszeit ist in der Regel begrenzt. Ihnen sind Ratsgremien an die Seite gestellt, die sie nach Maßgabe des Rechts anhören bzw. deren Zustimmung sie einholen müssen, um rechtsgültig handeln zu können. Die Räte sind einerseits Stütze der Oberen, andererseits haben sie Aufsichts- und Kontrollaufgaben. Die persönliche Leitungsverantwortung wird dadurch jedoch nicht geschmälert.
Die Vermögensverwaltung obliegt dem Ökonomen, der sein Amt entsprechend den rechtlichen Vorschriften unter Leitung des Oberen ausübt. Auch ihm sind beispruchsberechtigte Ratsorgane zugeordnet.
Bei Leitungsaufgaben in geistlichen Dingen tritt das partizipative Moment naturgemäß zurück, fehlt aber auch hier nicht ganz. Die Oberen sind verpflichtet, die Mitglieder zu unterstützen, die Freiheit bei der Wahl des Beichtvaters und der seelsorglichen Begleitung ist zu wahren.
Wie Haering darlegte, kennt das Ordensrecht verschiedene Einrichtungen zur Kontrolle der Ausübung von Leitungsvollmacht. Vorgeschrieben sind u. a. regelmäßige ordensinterne Berichte und Visitationen, extern werden Gemeinschaften diözesanen Rechts vom Bischof visitiert, Orden päpstlichen Rechts unterliegen der Apostolischen Visitation.
Nach Meinung Haerings könne es nicht angehen, dass Frauengemeinschaften von männlichen Oberen geleitet werden. Wie weit in klerikalen Ordensgemeinschaften Laienmitglieder an der Leitung beteiligt werden können, sei eine Frage, über die diskutiert werde.
Die Regelungen in den Ordensgemeinschaften lassen sich nicht eins zu eins übertragen, grundsätzlich ist aber jedes Leitungsamt in der Communio der Kirche auf Partizipation und Mitverantwortung hin angelegt. Auch unter diesem Aspekt verdienen das Ordensrecht und die Grundsätze, denen es folgt, Aufmerksamkeit und Beachtung.
Der Gastvortrag war erfreulich gut besucht und stieß auf reges Interesse, wie die Fragen zeigten. Im Auditorium befanden sich u. a. Altbischof Dr. Egon Kapellari, die Generaloberin der Grazer Schulschwestern Sr. Petra Rosenberger FIC und der Abt des Stiftes Rein Mag. Philipp Helm OCist.